Um es vorwegzunehmen: Auch wenn sich die Zahlen der 2019er Jubiläumsausgabe nach schwierigen Jahren nun wohl nicht mehr übertreffen lassen, war der Zuspruch, den die Interzum in diesem Jahr erfahren hat, überwältigend. Selbst am dritten Tag bekam man – zumindest bei den großen Beschlagherstellern – noch immer keinen Fuß auf die Erde. Und die Stimmung? Hervorragend optimistisch!
Tatsächlich war auch für mich der Wille spürbar, „den Wandel hin zu einer ressourcenschonenden, zukunftsfähigen Industrie aktiv mitzugestalten“, wie es die Koelnmesse in ihrem Abschlussbericht ausdrückte. Das Leitthema „Rethinking resources: Circular and biobased solutions“ fand ich mit einem neuen Verfahren bei Agoform herausragend umgesetzt. Die Idee von Rockenhausen, das organische Material „OrganiQ“ nicht mehr nur für die Innenausstattung von Schubkästen und Auszügen zu verwenden, sondern auch für Möbelfronten, überzeugte gestalterisch optisch wie haptisch. Und dass sich Nachhaltigkeit bei Lehmann bis ins Produktdetail hinein durchzieht, zeigte ein neues kinetisches Möbelschloss. Blum brachte gleich sein gesamtes Nachhaltigkeitskonzept mit nach Köln – aber weder überfrachtet noch langweilig. Auf dem Boulevard bot sich die Möglichkeit, spielerisch konkrete Maßnahmen zu erfahren.
- Niko Pahmeyer bei Agoform
- Barbie-Style innen trifft OrganiQ außen bei Rockenhausen
- Nachhaltigkeit spielerisch vermittelt: Minigolf bei Blum
Und was ist mit Innovationen? 2023 war es der „FurnSpin“, an dem kein Weg vorbeiführte. Und noch immer fasziniert mich der Transfer, den Hettich mit seinem Dreh-Schwenk-Beschlag vollzogen hat. Vom einfachen Drehteller über drehbare Möbelkorpusse bis hin zu ganzen raumgestaltenden Einrichtungselementen – bei Hettich bekommt alles einen „Spin“!
Spannend finde ich zudem, wie sich der Wettbewerb bei den Pocket-Systemen, also den Dreh- und Falt-Einschiebebeschlägen entwickelt. Blum, Hawa und Salice verfolgen zwar jeweils andere Ansätze, zielen jedoch alle darauf ab, Vielfalt bei der Höhe und Breite der abzudeckenden Fronten zu bieten und gleichzeitig die Komplexität für Planung, Einbau und Montage zu reduzieren. Deutliche Unterschiede waren zu erkennen bei dem Maß, mit dem Push-Systeme im Parkmodus hervorstehen.

Mit Kompass & Reiseführer auf Weltreise bei Blum
Für höchst interessant halte ich auch die Neuentwicklungen, mit denen sich einige Hersteller klar auf ihre Wurzeln besinnen. Blum und Hettich stellten zum Beispiel Scharniere vor, Kesseböhmer eine neue Stauraumlösung für Eckunterschränke. Und Ninka legte 70 Jahre nach Markteinführung der ersten Küchenschütte das Produkt zur Interzum 2025 neu auf.
Auffällig war zudem, dass Beschlag und Licht immer mehr zur Einheit verschmelzen – kaum ein Auszug, wo Zarge oder Tablar beim Öffnen keine Erleuchtung bringen. Hettich ging sogar noch einen Schritt weiter: Warum nicht im Schlafzimmer oder im Ladenbau mit Duftclips arbeiten?

Schnupperkurs bei Hettich
Überrascht hat mich, dass Lösungen für die Innenausstattung nicht mehr allein bei Kesseböhmer oder Vauth-Sagel zu sehen waren. Hettich erweitert sein Portfolio über FGV dahingehend und kann hinter der Front durchgängige Lösungen anbieten. Aber auch Blum diskutierte mögliche Lösungen mit seinen Kunden.
Wirklich beeindruckt hat mich schließlich das Konzeptdenken bei Häfele. Ob beim Thema Micro Living, im Ladenbau oder beim Lighting – die Nagolder analysieren Nutzerwünsche bis ins kleinste Detail und setzen sie konsequent um.

Ruhe genießen bei Häfele (berlin-acoustics.com)
Ein Wermutstropfen zum Schluss: Schade, dass die Verleihung der Interzum Awards „im stillen Kämmerlein“ stattfand. Liebe Koelnmesse, damit habt Ihr den Gewinnern den Rahmen für eine angemessene Würdigung durch ein breites Publikum und die Fachpresse entzogen. Aus dem Beschlägebereich gehörten u.a. Blum, Häfele, Linak und Salice dazu.
- Eingrooven mit HK-Chefredakteur Markus Schmalz bei „Interzum & friends“ – nur leider ohne Verleihung der Interzum Awards
- Christian Renner mit Interzum Award-Gewinner LINAK® EXPERIENCE
- „Best of the Best“ beim Interzum Award: Samuel Dürr mit der PLICOBOX.
Einen tiefergehenden Einblick über die Beschlägebrille liefert das DESIGN + BESCHLAG Magazin, das im Juli erscheint.